Ein Leuchtmittel bitte

Erzählung

Ein Leuchtmittel bitte

In den tiefsten Tiefen des Internets, dort wo nichts gewesen ist, dort wo es kein Leben gibt, dort wo alles aufhört, dort lebe ich. Ich bin ein Wesen, dessen Wesen unerklärlich ist. Was bin ich? - Ich bin nichts von dem gewesen, was Dir bereits bekannt geworden ist, dass es existiert. Ich bin unerklärlich geblieben. Ich bin… Hoppla! Ich bin gestolpert. Hast Du mal ein Licht für mich? Hier ist es so dunkel, und ich habe den Weg gar nicht mehr gesehen. Wo sind wir hier? - Komisch, gerade eben noch habe ich gedacht, ich träume, und jetzt tut mir der Fuß dabei weh. Es muss doch real sein, was ich hier erfahre. Ich bin gar nicht weit ab vom Abgrund gewesen. Von was sprechen wir?

Ich nehme jetzt einen Stein vom Boden auf und betrachte ihn. Wie bist Du hierhergekommen? - Hat Dich jemand hier hingelegt oder bist Du gar selbst hierher gelaufen? - Ich schmunzle jetzt doch wieder. Meine Trübsal lässt etwas nach. Steine mit Beinen! - Das ist etwas, was ich witzig finde. Des Nachts, wenn niemand es sehen kann, fahren wir unsere Beinchen aus und laufen umher. Eine lustige Vorstellung ist das für mich.

Oh, das Licht ist wieder ausgegangen. Mein Freund ist auf einmal weg. Wo bekomme ich jetzt wieder ein neues Licht her? - Hier bleiben macht jetzt keinen Sinn mehr. - Aber weitergehen könnten wir doch auch nicht im Dunkeln. Ich sehe ja kaum den Boden unter meinen Füßen!

Ich setze mich nicht hin und gehe dennoch jetzt auch nicht weiter. Was machen wir also? - Ich stehe da, wie fest verankert und angewachsen. Fast regungslos bin ich, mein Atmen wirkt nervös auf mich und kommt auf einmal sogar ins Stocken. Keine Ruhe haben wir mehr in den Knochen. Das denke ich mir auch. Ich greife in meine Tasche und hole mir eine Saftflasche heraus. Einen Schluck zu trinken, das wird uns jetzt guttun. “Hast Du auch eine Flasche bei Dir?” - Das frage ich da unverblümt.

Jetzt sehe ich etwas Helles langsam auf mich zu kommen. Nach und nach wird es immer heller und es brummt sogar. Etwas Ähnliches wie ein Motorengeräusch höre ich da. “Ah, es ist ein Roller.” “Der Fahrer kann uns sagen, wo wir sind.” - “Vielleicht wird er mich ein Stückchen mitnehmen!” - Ich versuche, mich bemerkbar zu machen. Während er näher kommt, erkenne ich jedoch, dass er nicht anhalten würde. Schließlich würde er mich ja gar nicht sehen im Dunkeln. Ihm vors Rad laufen möchte ich aber auch nicht. Er braust also vorbei und ich ärgere mich wegen meiner Einfalt. “So ein Mist!”, rufe ich da aus

Immerhin gibt es hier auch andere Menschen in dieser Gegend. Das ist schon mal ein gutes Zeichen. Ich erinnere mich jetzt wieder an vorhin. 'Die tiefsten Tiefen des Internets?' Pong! Ich wache nochmals auf.

Ich bin gerade aufgewacht. Ich sitze vor meinem Computer, da steht die Tastatur. Ich bin wohl etwas übermüdet. Ich habe wieder viel zu lange an der Kiste gesessen. - ‘Eine Zigarette rauchen?’ - Da habe ich jetzt gerade keine Lust darauf. ‘Was trinken?’ - Wäre gut, aber ich möchte nicht aufstehen. Jetzt nicht. ‘Was habe ich vorhin getan, bevor ich eingeschlafen bin?’ - Irgendwelche Fenster im Browser sind noch offen. Alles meine eigenen Seiten. Wie langweilig das doch ist.

Und wiederum hat niemand mit mir kommuniziert. Ich bin, was das Internet betrifft, ein Eremit. Manchmal kriege ich ja doch eine Nachricht, aber mal ehrlich gesagt, ich bin ja schon froh, wenn ich von irgendjemandem Spam erhalte.

Keiner liest sich meine Seiten durch? - Oh, verdammt, das ist wahr. Ich bin aber doch wer. Und ich habe einen Mordsspaß dabei, diese Seiten zu verfassen. Zumindest habe ich das so lange, wie ich noch nicht dabei eingeschlafen bin. Stundenlang sitze ich vor der Kiste. Andere schauen weniger Fernsehen, als ich am PC arbeite. Ich bin manchmal wie süchtig danach. Ein Junkie auf Elektronenvolt. So kommt es mir zumindest vor.

Internetsüchtig zu sein, das ist eine feine Sache. Jedenfalls würde das nicht so sehr den Kreislauf belasten wie manches andere Zeugs. Und es ist trotzdem witzig. Ich sage mir immer wieder, dass irgendwann einmal irgendwer doch Lust darauf bekommen wird, sich meine Arbeiten anzusehen. Irgendwann wird es soweit sein. Und ich werde warten, bis es soweit ist. Und wenn ich bis an den Sankt-Nimmerleinstag warten muss, werde ich dasitzen und abwarten.

So, jetzt mache ich noch das hier fertig und dann...

Klong Klong! Etwas pocht auf Metall. Irgendjemand ist in der Nähe. Ich schaue um mich. So dunkel ist es, dass ich nicht einmal erkannt habe, woher das Geräusch gekommen ist. 'Witzige Formulierung', denke ich mir, während ich noch einen Schrecken im Knochen habe. Klong Klong! - Wieder ist es da. Eine schreckliche Panik macht sich an mir breit. Was ist das für ein Geräusch? Immerhin weiß ich jetzt, woher es kommt. Da muss etwas Lebendiges drin sein. Ich gehe langsam, Schritt für Schritt, vorwärts und ertaste mir meinen Weg dabei. Wie ein Blinder fühle ich mich, nur dass mein Tastsinn viel ungeschulter ist als bei einem solchen.

Klong Klong! Da. Ich habe etwas gefunden. Eine Steinwand steht mir im Weg. Ah, da. Etwas Links davon ist eine Eisentür. Ich versuche sie aufzumachen. Sie klemmt. Ich reiße sie auf, da huscht etwas an mir vorbei. Könnte eine Ratte gewesen sein. Ich gehe in das Innere des Raumes und suche nach Licht. Als ich es gefunden habe, erkenne ich, wo ich bin. Ah, es ist alles okay. Ich bin dort, von wo ich hergekommen bin. Jetzt kenne ich mich wieder aus.

Ich gehe durch den Raum zur Tür, verlasse den Raum in Richtung des Inneren dieses Hauses und finde meine Freunde an einem Tisch sitzend, Karten spielend, vor. Sie fragen mich, wo ich denn so lange gewesen sei. Ich erzähle es ihnen. Und dann erzähle ich ihnen etwas ganz Verrücktes. Ich erzähle ihnen, dass ich geträumt habe, dass ich an einem Computer sitze und Texte in Weblogs hineinschreibe, die niemand liest. Meine Freunde haben bei der Geschichte lauthals losgelacht. Ich setze mich jetzt wieder zu ihnen und wir spielen den restlichen Abend weiter mit unseren Karten. Ach ja, ein schwarzer Peter ist nicht dabei gewesen.