Die gestohlenen Schuhe
Märchen
Die gestohlenen Schuhe
Es war einmal ein armer Müllerbursche, der zwar einen reichen Vater hatte, doch der konnte ihn nicht gut leiden. Wenn der Müllerbursche einen Sack Weizen holen sollte, dann merkte der Müller an: Sieh zu, dass du dir dein Kreuz nicht brichst, so wie du dich anstellst; und wenn er den Sack ausleeren sollte, dann sagte er: Sieh zu, dass du nicht wieder alles verschüttest. Das machte dem Müllerburschen das Leben zur Hölle, und so begann er abends nach der Arbeit Pläne zu schmieden, wie er sein Leben ändern könnte. Er wollte nicht länger in der Mühle bleiben, und seinen herzlosen Vater mochte er am liebsten gar nicht mehr sehen. Aber so lange er auch in der Nacht wach lag, kam der Morgen gewiss, und mit dem Morgen sein übel gelaunter Vater, der ihn manchmal sogar in den Arsch tritt, wenn ihm die Gangart seines Sohnes nicht gefiel. “Mach schneller, du lahmer Hund!”, brüllte er dann hinterher, und manches Mal dachte der Müllerbursche bei sich, dass sein alter Herr nur warten solle, irgendwann werde er ihm schon noch eines auswischen!
So verging die Kindheit wie die Jugend des Müllerburschen, und man kann sagen, es war eine rechte Plackerei für ihn. Als der Junge dann aber einundzwanzig Jahre alt war, war er volljährig. Da bat er seinen Vater darum, ihn mit dem Nötigsten zu versorgen, auf dass er seine Reise in sein zukünftiges Leben wagen konnte. “Was willst Du?”, sprach da der Vater und verprügelte seinen eigenen Sohn an dessen einundzwanzigsten Geburtstag. “Von mir hast du nichts zu erwarten, du Taugenichts!” “Aber wenn du das kommende Jahr gut arbeitest, dann solltest du den gewünschten Lohn von mir erhalten.” “Damit soll es dann aber auch gut sein.” Da der Müllerbursche nichts anderes wusste, willigte er ein, und des Nachts schmiedete er erneut Pläne. Er überlegte sich, welchen Beruf er gerne erlernen wollte, und er fragte sich, wo er Arbeit finden könnte. Wenn er morgens übermüdet aufwachte, dann schalt ihn sein Vater gleich aus, und ab und zu gab es auch noch den üblichen Tritt in den Hintern und immer, wenn er des Sonnabends nicht rechtzeitig in der Kirche erschien, setzte es noch eine Tracht Prügel obendrein.
Einmal aber in dem Jahr traf er einen Wanderer, der Zimmermann war und sich auf der Suche nach Arbeit befand. Ihn fragte er, welche Arbeit denn gut für einen tüchtigen Müllerburschen sei. Der Zimmermann guckte an ihm herunter, sah seine Holzschuhe und auch seine mehligen Kleider, die fettigen, strähnigen Haare und den ratlosen Blick im Gesicht des Müllerburschen. “Also”, sprach der Zimmermann, “Zimmermann zu sein, das ist eine ganz feine Sache.” “Aber du hast, glaube ich, nicht die rechte Haltung dazu.” “Du schaust recht kümmerlich und armselig aus, und ich weiß nicht, was ich dir raten soll.” “Aber es wird wohl das Beste sein, dass du bleibst, wo du bist.” Und da er den Zimmermann an einem Sonnabend getroffen hatte und auch gerade zur Kirche gehen wollte, der Zimmermann aber schon so viel von der Welt gesehen hatte, und er sich alles von ihm erzählen ließ, kam er zu spät zur Kirche und abends, ja abends gab es kein Abendbrot und stattdessen mit der Rute. Da war der Müllerbursche kuriert.
Als nun aber die Zeit kam und sein zweiundzwanzigster Geburtstag näher rückte, fragte sich der Müllerbursche, was er denn von seinem Vater zum Lohne verlangen sollte für all die Jahre der Plackerei und er kam auf nichts. Als der Tag dann endlich da war, sprach er zu seinem Vater und bat ihn darum, ihn mit dem Nötigsten zu versorgen, auf dass er seine Reise in sein zukünftiges Leben wagen könnte. “Was willst Du?”, sprach da der Vater und verprügelte seinen eigenen Sohn an dessen zweiundzwanzigsten Geburtstag. “Von mir hast du nichts zu erwarten, du Taugenichts, aber wenn du das kommende Jahr gut arbeitest, dann solltest du den gewünschten Lohn erhalten.” “Damit soll es dann aber auch gut sein.” Da der Müllerbursche nichts anderes wusste, willigte er ein, und des Nachts schmiedete er erneut Pläne. Er überlegte sich, welchen Beruf er gerne erlernen wollte, und er fragte sich, wo er Arbeit finden könnte. Wenn er morgens übermüdet aufwachte, dann schalt ihn sein Vater gleich aus, und ab und zu gab es auch noch den üblichen Tritt in den Hintern und immer, wenn er des Sonnabends nicht rechtzeitig in der Kirche erschien, setzte es noch eine Tracht Prügel obendrein.
Einmal aber in dem Jahr traf er einen Wanderer, der Schmied war und sich auf der Suche nach Arbeit befand. Ihn fragte er, welche Arbeit denn gut für einen tüchtigen Müllerburschen sei. Der Schmied guckte an ihm herunter, sah seine Holzschuhe und auch seine mehligen Kleider, die fettigen, strähnigen Haare und den ratlosen Blick im Gesicht des Müllerburschen. “Also”, sprach der Schmied, “Schmied zu sein, das ist eine ganz feine Sache, aber du hast, glaube ich, nicht die rechte Haltung dazu.” “Du schaust recht kümmerlich und armselig aus, und ich weiß nicht, was ich dir raten soll.” “Aber es wird wohl das Beste sein, dass du bleibst, wo du bist.” Und da er den Schmied an einem Sonnabend getroffen hatte und auch gerade zur Kirche gehen wollte, der Schmied aber schon so viel von der Welt gesehen hatte, und er sich alles von ihm erzählen ließ, kam er zu spät zur Kirche und abends, ja abends gab es kein Abendbrot und stattdessen mit der Rute. Da war der Müllerbursche kuriert.
Als nun aber die Zeit kam und sein dreiundzwanzigster Geburtstag näher rückte, fragte sich der Müllerbursche, was er denn von seinem Vater zum Lohne verlangen sollte, für all die Jahre der Plackerei und er kam auf nichts. Als der Tag dann da war, sprach er zu seinem Vater und bat ihn darum, ihn mit dem Nötigsten zu versorgen, auf dass er seine Reise in sein zukünftiges Leben wagen könnte. “Was willst Du?”, sprach da der Vater und verprügelte seinen eigenen Sohn an dessen dreiundzwanzigsten Geburtstag. “Von mir hast du nichts zu erwarten, du Taugenichts, aber wenn du das kommende Jahr gut arbeitest, dann solltest du den gewünschten Lohn erhalten.” “Damit soll es dann aber auch gut sein.” Da der Müllerbursche nichts anderes wusste, willigte er ein, und des Nachts schmiedete er erneut Pläne. Er überlegte sich, welchen Beruf er gerne erlernen wollte, und er fragte sich, wo er Arbeit finden könnte. Wenn er morgens übermüdet aufwachte, dann schalt ihn sein Vater gleich aus, und ab und zu gab es auch noch den üblichen Tritt in den Hintern und immer, wenn er des Sonnabends nicht rechtzeitig in der Kirche erschien, setzte es noch eine Tracht Prügel obendrein.
Einmal aber in dem Jahr traf er einen Wanderer, der Spinner war und sich auf der Suche nach Arbeit befand. Ihn fragte er, welche Arbeit denn gut für einen tüchtigen Müllerburschen sei. Der Spinner guckte an ihm herunter, sah seine Holzschuhe und auch seine mehligen Kleider, die fettigen, strähnigen Haare und den ratlosen Blick im Gesicht des Müllerburschen. “Also”, sprach der Spinner, “Spinner zu sein, das ist eine ganz feine Sache, aber du hast, glaube ich, nicht die rechte Haltung dazu.” “Du schaust recht kümmerlich und armselig aus, und ich weiß nicht, was ich dir raten soll.” “Aber es wird wohl das Beste sein, dass du bleibst, wo du bist.” Und da er den Spinner an einem Sonnabend getroffen hatte und auch gerade zur Kirche gehen wollte, der Spinner aber schon so viel von der Welt gesehen hatte und er sich alles erzählen ließ, kam er zu spät zur Kirche und abends, ja abends gab es kein Abendbrot und stattdessen mit der Rute. Da war der Müllerbursche kuriert.
Als nun aber die Zeit kam und sein vierundzwanzigster Geburtstag näher rückte, fragte sich der Müllerbursche, was er denn von seinem Vater zum Lohn verlangen wollte, für all die Jahre der Plackerei und er kam auf nichts. Als der Tag da war, sprach er zu seinem Vater und bat ihn darum, ihn mit dem Nötigsten zu versorgen, auf dass er seine Reise in sein zukünftiges Leben wagen könnte. “Was willst Du?”, sprach da der Vater und verprügelte seinen eigenen Sohn an dessen vierundzwanzigsten Geburtstag. “Von mir hast du nichts zu erwarten, du Taugenichts, aber wenn du das kommende Jahr gut arbeitest, dann solltest du den gewünschten Lohn erhalten.” “Damit soll es dann aber auch gut sein.” Da der Müllerbursche aber nun schon zum dritten Mal hintergangen worden war, sprach er zu seinem Vater diesmal in Widerrede. Da wurde der Vater erst recht zornig und haute ihm eins aufs Maul. Als der Müllerbursche dann am nächsten Morgen aufwachte, schimpfte sein Vater mit ihm, aber der Müllerbursche gab ihm erneut eine Widerrede, und wieder rutschte dem Vater die Hand aus. Da nahm der Sohn den Stuhl aus der Küche in die Hand und schlug seinen Vater damit grün und blau. Da schaute der Vater recht blöd und wusste sich nicht zu wehren. Aber damit nicht genug, der Sohn schalt ihn auch noch, was für ein schlechter Vater er sei. Und von da an gab es auch den üblichen Tritt in den Hintern nicht mehr. Und immer, wenn er des Sonnabends nicht rechtzeitig in der Kirche erschien, schaute sein Vater von nun an betreten weg, wenn der Sohn in die Kirche hereinspazierte, und eine Tracht Prügel setzte es auch nicht mehr...
Der Müllerbursche nahm sich vor, noch ein Jahr bei der Mühle zu bleiben, und er stellte fest, wenn er auch keinen Tritt mehr in den Hintern bekam, erträglicher war das Leben dadurch nicht geworden. Und wenn er zu spät am Sonnabend zur Kirche kam, dann kam ihm sein Vater ganz gottverlassen vor, wie er so dasaß und betreten wegschauen musste. Und der Müllerbursche bemerkte, wie sich die Leute das Mundwerk über seinen Vater und ihn zerrissen. Da wurde der Müllerbursche auf einmal unglücklich.
Einmal aber in dem Jahr traf er einen Wanderer, der ein Taugenichts war und auf der Suche nach Müßiggang. Ihn fragte er, welche Arbeit denn gut für einen tüchtigen Müllerburschen sei. Der Taugenichts guckte an ihm herunter, sah seine Holzschuhe und auch seine mehligen Kleider, die fettigen, strähnigen Haare und den ratlosen Blick im Gesicht des Müllerburschen. “Also”, sprach der Taugenichts, “Lebemensch zu sein, das ist eine ganz feine Sache, aber du hast, glaube ich, nicht den richtigen Mumm dazu.” “Du schaust recht kümmerlich und armselig aus, und ich weiß nicht, was ich dir raten soll, aber es wird wohl das Beste sein, dass du bleibst, wo du bist.” “Für mein Leben bist Du weder stark noch intelligent genug.” “Das kann ich Dir schwören.” Aber der Müllerbursche glaubte ihm nicht.
Und da er den Taugenichts an einem Sonnabend getroffen hatte und auch gerade zur Kirche gehen wollte, der Taugenichts aber offensichtlich noch nicht viel Rechtes von der Welt gesehen hatte und er sich es auch gar nicht erzählen lassen wollte, kam er nicht zu spät zur Kirche. Und abends, ja, abends gab es kräftige Suppe zum Abendbrot. Die gute alte Rute stand immer noch in der Ecke hinter dem Herd, aber sie war nun schon voller Spinnweben, weil sie nicht mehr benutzt wurde. Der Müllerbursche dachte beim Essen über das Alles und sein Leben nach. Da war der Müllerbursche kuriert.
Als nun aber die Zeit kam und sein fünfundzwanzigster Geburtstag näher rückte, fragte sich der Müllerbursche, was er denn von seinem Vater zum Lohne verlangen solle für all die Jahre der Plackerei und er kam auf nichts, außer einem paar Schuhe, denn er wollte ja hinaus in die Welt gehen. Als der Tag da war, sprach er so zu seinem Vater und bat seinen Vater darum, ihn mit dem Nötigsten zu versorgen, auf dass er seine Reise in sein zukünftiges Leben wagen könnte, und dazu hätte er gerne auch ein Paar Schuhe. “Das willst Du also!”, sprach der Vater und musste zugeben, dass es ihm Recht war. Diesmal schauten sie sich dabei an, wie sie miteinander sprachen. Der Vater versuchte nicht, seinen Sohn zu verprügeln und gab ihm seinen guten Lohn. “Ich habe noch ein paar solcher Schuhe in der Kammer stehen, die Du haben kannst.” “Sie haben einmal Großvater gehört und sind noch gut.” “Wenn du mir versprichst, gut auf sie Acht zu geben, dann seien sie von jetzt an Dein.” “Wenn du nun von hier weggehst, dann denk bitte daran, dass Du deine Familie trotz alledem in Ehren hältst.” Da der Müllerbursche dies verstand, willigte er ein, und des Nachts schmiedete er keinen Plan mehr, denn er hatte ja bereits einen. Er wusste nicht, welchen Beruf er gerne lernen wollte, aber er würde schon einen finden. Als er morgens dann aufwachte, war er frisch und munter, nahm sich seine neuen Schuhe, zog sie an und holte sein anderes Zeugs, seinen Mantel und seinen Sack, und ging fort von zu Hause.
Er schaute sich ein letztes Mal um und ging. Er grüßte seinen Vater noch einmal höflich, umarmte ihn einmal fest und ging dann seinen Weg. So zog er unter guten Umständen in die Welt, auch wenn er nie wiederkehrte. Sein Leben brachte etwas Gutes für ihn: Er wurde ein Holzfäller und gründete eine Familie. Ihm wurden drei Kinder von einer lieben Frau geboren. Er lebte mit dieser kleinen Familie ein ganzes Stück weg von seiner alten Heimat, der Mühle. Manchmal dachte er auch noch an seinen alten Vater zurück, manchmal war sogar ein Gefühl von Wehmut mit dabei. Und so lebte er sein Leben und so wurde er auch alt. Einer Sache war er sich im Laufe seines Lebens aber stets bewusst: Es hatte ihn stark gemacht, zuvor so vieles ausgehalten zu haben. Und genau darum dachte er, trotz allem, ab und zu gut von seinem alten Herrn, seinem Vater. 'Seinen Frieden möchte er finden, wie wir ihn hier auch bereits gefunden haben', dachte er dann manchmal im Stillen bei sich.